Die Osloer Verträge I und II

Beitrag

Im Oktober 1991 luden die USA und die Sowjetunion Jordanien, Israel, Syrien, den Libanon sowie eine palästinensische Delegation aus Gaza und dem Westjordanland zur Konferenz in Madrid ein, um Gespräche über einen israelisch-palästinensischen Friedensprozess zu führen. Palästinensische Vertreter wie Faisal Husseini, Hanan Ashrawi und Haidar Abdel Schafi spielten dabei eine wichtige Rolle, obwohl sie formell der jordanischen Delegation untergeordnet waren.

Parallel dazu begannen Israel und die PLO in Schweden im Januar 1993 geheime Verhandlungen, die im Mai 1993 konkreter wurden. Diese Gespräche führten am 20. August 1993 zur Unterzeichnung der „Declaration of Principles on Self-Government Arrangements“ (DOP). Das Abkommen sah unter anderem den israelischen Rückzug aus Teilen des Gazastreifens und aus Jericho sowie  die Durchführung demokratischer Wahlen zur Schaffung einer palästinensischen Regierung vor. Umstrittene Fragen rund um den Status Jerusalems, die Siedlungen und Grenzziehung wurden für spätere Verhandlungen aufgeschoben  – ein Punkt der von vielen palästinensischen Intellektuellen wie Edward Said oder Hanan Ashrawi kritisiert wurden. Am 13. September 1993 wurde das DOP offiziell im Weißen Haus unterzeichnet.

Vorgeschichte: Die Madrider Konferenz

Die Madrider Konferenz von 1991 war eine erste Annäherung zwischen Israels und den arabischen Staaten. Zum ersten Mal seit der Genfer Konferenz von 1973 kamen Vertreter beider Lager zusammen, um direkt miteinander zu verhandeln.

Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Niederlage des Iraks im Golfkrieg 1991 sah die Regierung von George Bush die Gelegenheit, die gestärkte Position der USA im Nahen Osten zu nutzen, um eine friedliche Lösung des arabisch-israelischen Konflikts voranzutreiben. Zu diesem Zweck schlugen die USA vor, eine in der UN-Resolution 338 von 1973 vorgesehene, aber bisher nicht umgesetzte, internationale Konferenz einzuberufen. In der Resolution 338 hatte die UN unter anderem beschlossen, dass sofortige Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien aufgenommen werden sollen, um einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten herzustellen.1

Zwei zentrale Streitpunkte bei der Vorbereitung der Konferenz waren die Form der palästinensischen Vertretung und das Mandat für die Verhandlungen zwischen Palästinenser*innen und Israelis. Sowohl Israel als auch die USA lehnten die Beteiligung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ab.2  Die PLO, die durch ihre Unterstützung der irakischen Invasion in Kuwait geschwächt war und keinen Rückhalt in den arabischen Staaten hatte, musste sich auf eine gemeinsame jordanisch-palästinensische Delegation einigen. Die palästinensischen Mitglieder dieser Delegation durften keine offizielle Verbindung zur PLO haben.

Die USA akzeptierten die israelischen Bedingungen, wonach die palästinensischen Delegationsmitglieder aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen stammen mussten. Palästinenser*innen aus Ostjerusalem und der Diaspora wurden ausgeschlossen. Hinsichtlich der Verhandlungsgrundlage sollte die Resolution 2423 des UN-Sicherheitsrates die Gespräche auf allen Ebenen leiten: Zunächst sollte über eine fünfjährige Übergangsregelung zur Selbstverwaltung verhandelt werden. Nach deren Umsetzung sollte dieselbe Resolution als Grundlage für eine endgültige Statusregelung dienen. Diese Bedingungen mussten von den Palästinenser*innen akzeptiert werden.

Vertreter*innen der palästinensischen Zivilgesellschaft wie Faisal Husseini, Hanan Ashrawi und Haidar Abdel Schafi, die offiziell der jordanischen Delegation angehörten, sorgten mit ihrer kritischen Haltung und der für internationale Verhandlungen ungewohnten Offenheit, mit der sie die palästinensische Perspektive des Konflikts zur Sprache brachten, erstmals für einen diskursiven Ansatz, der sowohl die territoriale und rechtliche als auch die menschliche Dimension des Verlustes und der andauernden Besatzung in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit rückte. Ihre ungewohnt offene Art der inhaltlichen Auseinandersetzung stand in scharfem Kontrast zu den sonst üblichen technisch-funktionalen Ansätzen in politischen Verhandlungen und Debatten.4 Mit dem Resultat, dass in den nachfolgenden zwanzig Monaten neun weitere Gesprächsrunden zwischen Palästinenser*innen und Israelis in Washington stattfanden. In der dritten Verhandlungsrunde im Januar 1992 trennten sich die palästinensischen Delegierten von der jordanischen Delegation und nahmen direkte bilaterale Gespräche mit Israel auf. Dies ermöglichte der palästinensischen Delegation, als unabhängige Vertretung an den multilateralen Verhandlungen teilzunehmen, die am 28. Januar 1992 in Moskau begannen und sich mit regionalen Themen wie Flüchtlingen, wirtschaftlicher Zusammenarbeit, Wasser und Sicherheit befassten. Weder die bilateralen noch die multilateralen Gespräche führten jedoch zu wesentlichen Fortschritten, insbesondere in den zentralen Fragen der palästinensischen Souveränität über das Land, des Status von Jerusalem und der israelischen Siedlungen. Dies lag vor allem daran, dass die US-Regierung die israelischen Positionen unterstützte und die Palästinenser*innen dazu drängte, diese zu akzeptieren. Trotz der fehlenden Fortschritte verschafften die Verhandlungen den Palästinensern jedoch eine deutlich positive internationale Wahrnehmung.

Oslo-I-Abkommen

Da die offiziellen israelisch-palästinensischen bilateralen Gespräche waren praktisch festgefahren, gewannen die geheimen Gespräche, die durch Norwegen zwischen Israel und der PLO im Dezember 1992 vermittelt wurden, an Bedeutung. Norwegen hatte sowohl zur israelischen als auch zur palästinensischen Vertretung gute Kontakte, die genutzt wurden, um Gespräche abseits der Öffentlichkeit  zu ermöglichen. An den Verhandlungen, die im Mai 1993 ernsthaft und konkret wurden, nahmen der PLO-Unterhändler Ahmad Qurai‘ (Abu Ala‘) und Uri Savir vom israelischen Außenministerium teil.

Der Kern der Gespräche blieb von den Vorgaben der Madrider Konferenz, die eine fünfjährige Übergangsautonomie für das Westjordanland und den Gazastreifen vorsah, unberührt. Doch auch in den norwegischen Verhandlungen blieb das Kräfteverhältnis zugunsten Israels bestehen, sodass nur wenig Spielraum für die palästinensische Position blieb.

Am 20. August 1993 unterzeichneten beide Seiten den Text einer „Declaration of Principles on Self-Government Arrangements“ (DOP). Die offizielle Unterzeichnung des DOP fand wenig später, am 13. September 1993, vor dem Weißen Haus in Washington statt, woraufhin das berühmte Foto des Handschlags zwischen Peres und Arafat entstand. Das DOP sah als ersten Schritt den israelischen Rückzug aus dem größten Teil des Gazastreifens und dem Gebiet um Jericho vor, gefolgt von der Einsetzung eines gewählten Rates und der Ausweitung seiner Kompetenzen auf die Westbank. Fragen wie Jerusalem, Siedlungen, Militärstützpunkte, Flüchtlinge, Sicherheitsvorkehrungen, Wasser und Grenzen wurden für die Verhandlungen über den endgültigen Status aufgeschoben. Mit der Unterzeichnung erkannte die PLO formell das Existenzrecht Israels in den Grenzen von 1967 an; im Gegenzug akzeptierte Israel die PLO als Vertretung des palästinensischen Volkes.

Die Verkündung des Oslo-I-Abkommens gilt als Paradigmenwechsel, bei dem Israel im Gegenzug für die Anerkennung seines Existenzrechts die bereits im Friedensvertrag mit Ägypten erfolgreich angewandte Formel „Land gegen Frieden“ versprach, gefolgt vom Oslo-II-Abkommen. Beide Verträge blieben jedoch in ihrer Umsetzung unspezifisch und ließen viel Raum für unterschiedliche Interpretationen, die nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Rabins 1995 durch einen israelischen Extremisten je nach Parteizugehörigkeit unterschiedlich ausgelegt wurden.

Oslo-II-Abkommen

Für die gegenwärtige Situation ist vor allem das Oslo-II-Abkommen wesentlich – auch als „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“ bekannt –, das seit September 1995 und bis heute die Funktionsweise der palästinensischen Regierung sowie die Verteilung der Gebiete des Westjordanlands nach drei Kategorien regelt:

  • Kategorie A: Palästinensische Zivil- und Sicherheitsverwaltung (vorwiegend große Städte)
  • Kategorie B: Gemeinsame Sicherheitsverwaltung durch Palästinenser*innen und Israelis (Region Ost-Jerusalem)
  • Kategorie C: Gebiete, die zivil- und sicherheitsrechtlich Israel unterstehen (heute 60 Prozent des Gebiets im Westjordanland)

Folgen

Die ursprünglich befristete Einteilung der Westbank in A-, B- und C-Gebiete hat zu einer dauerhaften Fragmentierung der Region geführt. In den A-Gebieten, die 18 Prozent des Westjordanlands ausmachen, hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) umfassende Befugnisse. Das B-Gebiet wird gemeinsam von palästinensischen Zivil- und israelischen Sicherheitsbehörden verwaltet. In der C-Zone, die mehr als 60 Prozent des Westjordanlands umfasst, behält Israel die volle Kontrolle. Auch die Kontrolle über lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Bodenschätze sowie der Zugang zu See, Luft und Land unterliegen weiterhin der israelischen Souveränität. Die ursprünglich nur temporär gedachte Teilung des Westjordanlands hat sich somit zu einer neuen, dauerhaften Realität verfestigt. Nutznießer dieser Entwicklung sind die israelische Siedlerbewegung und die Palästinensische Autonomiebehörde, die sich mit jeweils eigenen Interessen in den ihnen zugewiesenen Gebieten etabliert haben.

Weitere Links

Fußnoten

  • https://www.un.org/depts/german/sr/sr_73/sr338-73.pdf

  • Die PLO wurde 1964 als Dachorganisation verschiedener Fraktionen in Jerusalem gegründet, die Vertreter*innen palästinensischer politischer Parteien im arabischen und nicht-arabischen Exil vereint. Unter der Leitung von Ahmed Schuqairi, dem damaligen Vertreter Palästinas bei der Arabischen Liga, der die Organisation bis 1968 führte, wurde die Nationalcharta verabschiedet. Diese Charta diente als eine Art „Verfassung“ und legte sowohl einen organisatorischen Rahmen als auch ein politisches Programm fest. 1969 übernahm Yasser Arafat die Führung der Organisation von Schuqairi und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2004 an der Spitze.
    Auf Grundlage der Nationalcharta verabschiedete der Palästinensische Nationalrat während seiner 12. Sitzungsperiode im Juni 1974 ein Programm, das bis heute einen zentralen Bestandteil der diplomatischen Strategie der PLO darstellt.
    Im selben Jahr  erkannte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die PLO als alleinige und legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes an und verlieh ihr den Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. 1988, während der ersten Intifada, proklamierte die PLO den Staat Palästina. Die Unabhängigkeitserklärung wurde am 15. November 1988 auf einer Sitzung des Palästinensischen Nationalrats (PNC) in Algier beschlossen. Seitdem wird der 15. November als offizieller palästinensischer Nationalfeiertag begangen.
    Heute vereint die PLO neun Organisationen aus verschiedenen politischen Strömungen: die Fatah (Harakat al-Tahrir al-Watani al-Filastini – Bewegung zur Befreiung Palästinas), die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Arabische Befreiungsfront, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Arabische Front Palästinas, die Demokratische Union Palästinas (FIDA), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), die Palästinensische Volkspartei (PPP) und die Palästinensische Volkskampffront (PPSF). Darüber hinaus wird angestrebt, auch die Hamas und den Islamischen Dschihad in die PLO aufzunehmen.

  • Die UN-Resolution wurde am 22. November 1967 verabschiedet und fordert den Rückzug Israels „aus (den) während des jüngsten Konflikts besetzten Gebieten“ als Gegenleistung für die Anerkennung Israels und die Respektierung seiner Sicherheit „frei von Bedrohung und Gewalt“.

  • Beide Vertreter*innen gehörten der palästinensischen Zivilgesellschaft an. Sowohl Abdelshafi als auch Ashrawi stellten zunächst die territoriale Dimension, die rechtliche Dimension und die menschliche Dimension in das Zentrum der Diskussion: Kritisch äußerten sie sich über den Ansatz, der von dem PLO-Unterhändler Ahmad Qurai‘ (Abu Ala‘) und israelischen Unterhändler Uri Savir verfolgten technisch-funktionalen Ansatz.
    Die Eröffnungsrede von Haidar Abdelshafi nachzusehen unter https://www.c-span.org/video/?23760-1/middle-east-peace-conference-palestinian-delegation