Nakba

النكبة

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Nakba (arabisch: النكبة) bezeichnet die katastrophalen Folgen der Massenvertreibung der Palästinenser*innen in den Jahren 1947 bis 1949, dem palästinensischen Exodus, bei dem 85 Prozent der palästinensischen Bevölkerung innerhalb des proklamierten Staatsgebietes Israels floh oder aus diesem vertrieben wurde. Die Nakba hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Palästinenser*innen eingeschrieben und steht bis heute als Symbol für ihre fortwährende Staatenlosigkeit.

Nach der Staatsgründung Israels am 15. Mai 1948 und dem anschließenden arabisch-israelischen Krieg wurde der Großteil der palästinensischen Bevölkerung aus ihren angestammten Gebieten vertrieben: mehr als 725.000 Palästinenser*innen flohen oder wurden von den israelischen Streitkräften gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Sie wurden zu Flüchtlingen im Gazastreifen, im Westjordanland und in den umliegenden arabischen Ländern. Israel verweigerte ihnen die Rückkehr, und die etwa 150.000 verbliebenen Palästinenser*innen, von denen viele ebenfalls Binnenflüchtlinge waren, wurden im neu gegründeten jüdischen Staat unter Kriegsrecht gestellt.

Trotz wiederholter internationaler Bemühungen und UN-Resolutionen ist eine Lösung des Konflikts bis heute nicht in Sicht. Die Nakba steht daher nicht nur für den Verlust von Land und Besitz in den Jahren 1947 bis 1949, sondern auch für das anhaltende Leid und die Unsicherheit, die die Betroffenen und ihre Nachkommen bis heute erleben. Diese anhaltende Unsicherheit wird vor allem in einem Foto festgehalten, das sich tief in das kollektive Gedächtnis der Palästinenser eingeprägt hat. Es symbolisiert das gemeinsame Trauma der Nakba und steht als ikonischer Gedächtnisträger stellvertretend für die bis heute anhaltende Staatenlosigkeit. Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt eine scheinbar endlose Reihe von Zelten in den ersten Flüchtlingslagern, die bis zum Horizont reicht. Im Vordergrund sitzt ein Mann, der erhöht über das Lager blickt und den Betrachter direkt anschaut. Wegen der starken Parallelen zu den Ereignissen von 1948 erkennen die Palästinenser in diesem Bild nicht nur die Gegenwart, sondern auch eine Fortsetzung der Vertreibung

Abb. links: Universal History Archive / Getty, palästinensisches Flüchtlingslager, 1948. | Abb. rechts: Binnenflüchtlingslager Gaza, Juni 2024, Keystone/EPA/HAITHAM IMAD)

Die vier Phasen der Vertreibung zwischen 1947 und 1949

Obwohl der Großteil der palästinensischen Bevölkerung nach der Gründung des Staates Israel am 15. Mai 1948 und dem darauffolgenden arabisch-israelischen Krieg vertrieben wurde, geht in den vorherrschenden Darstellungen oft unter, dass erste Angriffe zur Vertreibung bereits vor der Staatsgründung Israels, während der britischen Mandatszeit, stattfanden.1

Die erste Phase dieser Vertreibungen begann mit der Verabschiedung des UN-Teilungsplans für Palästina am 29. November 1947, der die Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah. Innerhalb der vorgesehenen Grenzen des avisierten jüdischen Staates lebten etwa eine Million Einwohner, von denen 42 Prozent muslimische und christliche Araber waren. Angesichts dieser Zahlen plante die militärische Führung der jüdischen Paramilitärs die Vertreibung der arabischen Minderheit, was zu Militäroperationen gegen palästinensische Dörfer, Städte und Ortschaften durch Mitglieder der Organisationen Haganah und Irgun führte. Die Folgen dieser Angriffe führten beispielsweise in Haifa zu einem vorzeitigen Exodus von 15.000 bis 20.000 Angehörigen der städtischen Elite, die im Libanon und in Ägypten Zuflucht suchten.

Die zweiten Phase, der sogenannte Plan Dalet, begann einen Monat vor der offiziellen Staatsgründung Israels. Die paramilitärischen Gruppen wechselten nun von sporadischen Angriffen auf die palästinensische Bevölkerung zu groß angelegten und organisierten Operationen. Diese richteten sich zunächst gegen die Landbevölkerung und führten zum Massaker im Dorf Deir Yasin an den westlichen Hängen der Jerusalemer Berge. Anschließend wurden auch städtische Zentren wie Haifa, Jerusalem und Jaffa angegriffen, deren Blockade bis zum 13. Mai andauerte und die Flucht von 50.000 Palästinenser*innen zur Folge hatte.2

Die dritte Phase begann mit dem Ausbruch des arabisch-israelischen Krieges am 15. Mai 1948. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in der Region zwischen Tel Aviv und Haifa 64 palästinensische Dörfer. Nach den ethnischen Säuberungen, die dort zwischen Mai und Juli 1948 stattfanden, blieben nur noch zwei Dörfer übrig: al-Faradis und Jisr al-Zarqa.

Exemplarisch für diese Zeit ist das Massaker im Dorf al-Tantura, das mit 1.500 Einwohnern eines der größten Dörfer an der Mittelmeerküste war. Die traumatischen Erlebnisse der Palästinenser*innen und die Verdrängung dieser Ereignisse innerhalb der israelischen Gesellschaft thematisiert der 2022 veröffentlichte Dokumentarfilm Tantura des Regisseurs Alon Schwarz. Der Film rekonstruiert, was in al-Tantura geschah, und geht der Frage nach, warum die Auseinandersetzung mit der Nakba in der israelischen Gesellschaft bis heute tabuisiert wird.

Die vierte Phase der Vertreibungen fand in der Zeit nach dem Waffenstillstand am 22.April 1948 statt, in der bis 1949 über 400 Dörfer und Städte zerstört und entvölkert sowie 13.000 Menschen getötet wurden. Der neue Staat Israel kontrollierte nun etwa 77 Prozent der Landfläche des Mandatsgebiets Palästina, das von etwa 90 Prozent seiner einheimischen arabischen Bevölkerung entvölkert worden war.

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Fußnoten

  • Benny Morris skizziert ausführlich die Ereignisse zwischen 1945 und 1949 und beschreibt die Zerstörung palästinensischer Häuser und Infrastruktur als „important elements in the overall consolidation of the State of Israel“. (Morris 2004, 342). „In ihrer Gesamtheit ließen sie die Möglichkeit einer massenhaften Rückkehr der Flüchtlinge immer unwahrscheinlicher werden, bis sie Mitte 1949 praktisch undenkbar wurde. Diese Prozesse waren die allmähliche Zerstörung der verlassenen arabischen Dörfer, die Kultivierung oder Zerstörung der arabischen Felder und die Aufteilung des arabischen Landes für jüdische Siedlungen, die Errichtung neuer Siedlungen auf verlassenem Land und Gelände und die Ansiedlung jüdischer Einwanderer in leerstehenden arabischen Häusern auf dem Land und in städtischen Vierteln. All dies führte dazu, dass die Flüchtlinge nichts und niemanden hatten, wohin sie zurückkehren konnten“ (Morris, 341).