Intifada
Beitrag
Das arabische Wort „Intifada“ bedeutet wörtlich übersetzt „Abschütteln“. Im palästinensischen Kontext bezeichnet die Intifada den Aufstand gegen die israelische Besatzungspolitik zwischen 1987 und 1993, der als Reaktion auf die schlechten Lebensbedingungen der Palästinenser unter 20 Jahren israelischer Herrschaft erfolgte. Anders als in deutschen Medien häufig dargestellt, handelte es sich dabei nicht um einen bewaffneten Kampf oder um einen Aufstand aus antisemitischen Motiven, sondern um eine Bewegung, die zum zivilen Ungehorsam gegenüber der Besatzungsmacht aufrief. Seit 1967 unterlagen die Palästinenser*innen einer israelischen Militär-Zivilverwaltung, die jegliche Möglichkeit der souveränen Selbstbestimmung unterband.
Hintergrund
Gründe für den zivilen Aufstand der Palästinser*innen waren die fortwährende Unterdrückung durch die israelische Militärverwaltung seit 1967, sowie öffentliche Forderungen führender israelischer Politiker in den 1980er-Jahren, die palästinensische Bevölkerung umzusiedeln. Der israelische Historiker Benny Morris beschreibt die „allgegenwärtigen Elemente der Erniedrigung“, die durch die andauernde Besatzung hervorgerufen wurden, als Erfahrungen von „roher Gewalt, Unterdrückung und Angst, Kollaboration und Verrat, Schlägen und Folterkammern, sowie täglicher Einschüchterung, Demütigung und Manipulation.1
Wie stark das palästinensische Leben in den seit 1967 besetzten Gebieten von Israel abhängig war, zeigte sich auch in der wirtschaftlichen Situation. Eine eigenständige palästinensische Wirtschaft wurde weitgehend verhindert, und Palästinenser*innen wurden vor allem für ungelernte Tätigkeiten auf dem israelischen Arbeitsmarkt angeworben. Ende der 1980er-Jahre arbeiteten über 40 Prozent der palästinensischen Arbeitskräfte in Israel, vorwiegend in Bereichen, die von Israelis selbst nicht ausgeführt werden wollten. Die israelische Enteignung palästinensischen Landes und die begrenzte Zuteilung von Grundstücken für Wohnungsbau und Landwirtschaft verschärften die Situation zusätzlich und führten zu einer steigenden Arbeitslosigkeit, auch unter Akademiker*innen.2
Auslöser
Konkreter Auslöser der ersten palästinensischen Intifada war der Zusammenstoß eines israelischen Lastwagens mit zwei Lieferwagen mit palästinensischen Arbeitern aus Gaza nahe dem Grenzübergang Erez im Dezember 1987, bei dem vier Palästinenser getötet wurden. Die darauffolgenden Zusammenstöße breiteten sich rasch auf die übrigen besetzten palästinensischen Gebiete aus. Die Intifada wurde zivilgesellschaftlich organisiert und basierte auf der Gründung dezentraler Basiskomitees in Gefängnissen, Schulen, Stadtvierteln und Dörfern, die wiederum von der Vereinigten Nationalen Führung des Aufstands (UNLU) koordiniert wurden, einer Koalition verschiedener politischer Gruppen, die für ein Ende der israelischen Besatzung und die palästinensische Unabhängigkeit kämpfte. Die israelische Regierung reagierte mit harter Hand, schloss Universitäten, deportierte Aktivist*innen und zerstörte ihre Häuser.

Die Maßnahmen des zivilen Ungehorsams umfassten unter anderem einen Steuerboykott sowie die Gründung von Kooperativen, die unabhängig vom israelischen Markt funktionieren konnten. So beschloss beispielswiese die Stadt Beit Sahour im Westjordanland im Jahr 1988, keine Steuern mehr an Israel zu zahlen. Israels damaliger Verteidigungsminister Yitzhak Rabin, der der israelischen Arbeiterpartei angehörte, erklärte daraufhin: „Wir werden nicht zulassen, dass diese Form des zivilen Ungehorsams Erfolg hat.“ In der Folge verhängte die israelische Regierung eine einmonatige tägliche Ausgangssperre über die Stadt, die in den ersten vier Tagen über 24 Stunden dauerte und danach von fünf Uhr nachmittags bis fünf Uhr morgens.3
So entstanden in Innenhöfen und auf Dächern Gemüsegärten zur Selbstversorgung, sowie privat organisierter Unterricht, nachdem die Schulen und Universitäten vom israelischen Militär geschlossen worden waren.

Die israelische Politik der „Eisernen Faust“ gegen den palästinensischen Aufstand wurde im August 1985 durch Deportationen ergänzt4, initiiert von Verteidigungsminister Rabin. Dieser ordnete an, auf den Aufstand mit „Gewalt, Macht und Schlägen“ zu reagieren, was zur Folge hatte, dass 1.095 Palästinenser*innen durch israelische Streitkräfte getötet wurden.5 Im Gegensatz dazu beschränkte sich die palästinensische Gewalt größtenteils auf das Werfen von Steinen, „eine massive, anhaltende Kampagne des zivilen Widerstands, begleitet von gewalttätigen (wenn auch unbewaffneten) Demonstrationen gegen die Besatzer“, wie es der Historiker Benny Morris formulierte.6
Die Vereinten Nationen verurteilten den Einsatz militärischer Gewalt durch Israel, während die US-Regierung unter Präsident Reagan Israel für seine „harten Sicherheitsmaßnahmen und den übermäßigen Einsatz von scharfer Munition“ kritisierte.
Der offizielle Beginn des Friedensprozesses fand 1991 auf der Madrider Konferenz statt, nachdem die USA erheblichen Druck auf den israelischen Premierminister Yitzhak Shamir ausgeübt hatten. In der palästinensischen Delegation spielten vor allem Basisaktivist*innen, darunter viele Frauen, eine wichtige Rolle. Die hinter den Kulissen stattfindenden Oslo-Verhandlungen verdrängten jedoch bald die Madrider Gespräche, wodurch die Basisaktivist*innen an Einfluss verloren. 1993 unterzeichneten Jassir Arafat, Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation, und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin das sogenannte Oslo-Abkommen. Es markierte den Beginn eines fünfjährigen Friedensprozesses im Rahmen des Abkommens, der die gegenseitige Anerkennung sowie ein schrittweises Herangehen an die Lösung der Endstatusfragen vorsah und damit einen wichtigen Schritt zur Beilegung des Konflikts darstellte.
Fußnoten